Der bpa-Wahlprogramm-Check

Deutschland hat gewählt und aller Voraussicht nach haben wir eine Regierung aus Union und SPD zu erwarten. Derzeit laufen die Sondierungsgespräche. Doch was bedeutet eine Regierung aus Union und SPD für die Pflege, die Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe?

Wer plant was für die Pflege?
Wie ist das einzuordnen?
Und was bedeuten diese Pläne für unsere Mitgliedsunternehmen?

Wir haben die Programme durchleuchtet und ordnen die Pläne ein. Hier finden Sie unseren Parteiprogramm-Check für:

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

  • Investitionskosten sollen künftig nicht mehr vollständig auf die Bewohner umgelegt werden können.
  • Kommunen sollen darüber entscheiden, wo und in welcher Trägerschaft sich Pflegeeinrichtungen ansiedeln dürfen.
  • Eine bedarfsgerechte Personalausstattung soll bundeseinheitlich für alle Beschäftigtengruppen im Gesundheitswesen eingeführt werden.
  • "Pflegekosten-Deckel": Begrenzung der pflegerischen Eigenanteile auf 1.000 Euro im Monat in der stationären Pflege. In der ambulanten Pflege soll eine entsprechende Begrenzung eingeführt werden.

Das vollständige Wahlprogramm der SPD finden Sie hier.

Die geplanten Entlastungen für Pflegebedürftige sind nicht zu Ende gedacht. Zum Beispiel wird nicht ausgeführt, wie die Investitionskosten, die nicht mehr umgelegt werden dürfen, dann refinanziert werden sollen. Die Trägerneutralität wird in Frage gestellt – das ermöglicht Dirigismus auf kommunaler Ebene.

Der bpa sagt: Pflege sichern, aber die Pflegeeinrichtungen vergessen? Das geht nicht, liebe Genossinnen und Genossen. Was nützt ein „Pflegekosten-Deckel“, wenn es keine Heimplätze und keine ambulanten Angebote gibt?


Christlich Demokratische Union/Christlich-Soziale Union (CDU/CSU)

  • Einen umfassenden gesellschaftlichen Dialog über das zentrale Zukunftsthema Pflege
  • Die Finanzierung soll durch einen Mix erfolgen, u.a. mit einer eigenverantwortlichen Vorsorge und Pflegezusatzversicherungen. Zudem soll ein umfassendes Konzept für eine stabile pflegerische Versorgung in einer alternden Gesellschaft erarbeitet werden.
  • Die Digitalisierung in der Pflege soll vorangebracht und eine enge Verzahnung von Medizinischem Dienst und Heimaufsicht zur Vermeidung von Doppelstrukturen angestrebt werden.
  • Gute Rahmenbedingungen für Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und die Beschäftigten in der Pflege sollen geschaffen werden.
  • In der ambulanten Versorgung soll ein Pflegebudget geschaffen werden.
  • Gegen die Bürokratie sollen Öffnungsklauseln und Erprobungsmöglichkeiten für flexible Lösungen geschaffen werden.
  • Attraktive Arbeitsbedingungen wie planbare Einsatzzeiten und Springerpools zum Abfedern von Belastungsspitzen, Aufstiegsmöglichkeiten, neue Berufsbilder und Anwerbungen im Ausland sind geplant.

Das vollständige Wahlprogramm der Union finden Sie hier.

Insgesamt viel zu wenig konkret. Alle werden genannt – aber die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Pflegeeinrichtungen und konkrete Maßnahmen zu ihrer Stabilisierung sucht man vergebens. Lichtblicke: Ein breiter Dialog zur Zukunft der Pflege und die Vorhaben bei Digitalisierung und Entbürokratisierung.

Der bpa sagt: Ohne ausreichende Ambition und ohne realistischen Blick auf die Situation der Versorgungsstrukturen. So kann der Neustart in der Pflegepolitik nicht gelingen.


Bündnis 90/Die Grünen

  • Alle pflegebedürftigen Menschen sollen die Pflege erhalten, die sie benötigen, egal ob durch Fachkräfte oder nahestehende Mitmenschen, ob zuhause oder in einer Einrichtung.
  • Pflege soll wieder bezahlbar sein und pflegende Angehörige sollen finanzielle Unterstützung in Form eines zeitlich begrenzten Ausgleichs der entgangenen eigenen Einkünfte erhalten.
  • Länder und Kommunen sollen mehr Möglichkeiten erhalten, die pflegerische Versorgung vor Ort verbindlich zu planen und zu gestalten.
  • Die Verbesserung der Finanzierung ambulanter Pflegeangebote und Pflege-Wohngemeinschaften soll vorangetrieben werden.
  • Pflegebedürftige sollen Pflege, therapeutische Leistungen oder Unterstützung bei der Haushaltsführung flexibler als bisher in Anspruch nehmen und miteinander kombinieren können, zum Beispiel in Form eines Pflegebudgets.
  • Fachkräfte, die aufgrund von Überlastung den Job verlassen haben, sollen mit einer Rückkehr-Offensive zurückgewonnen werden. Dazu zählt eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die weitere Umsetzung höherer Personalschlüssel, mehr Kompetenzen und Eigenverantwortlichkeit für den Pflegeberuf sowie bessere Aufstiegschancen.
  • Spekulation und hohe Renditeerwartungen, die zulasten der Versorgungsqualität gehen, sind im Gesundheits- und Pflegebereich fehl am Platz. Das Prinzip der Gemeinwohlorientierung soll daher stärker etabliert und öffentliche und gemeinnützige Träger gefördert werden, denn eine Profitorientierung birgt Risiken für die Versorgungsqualität und -sicherheit. Der Einfluss von Finanzinvestoren soll begrenzt und Transparenz über die Eigentumsverhältnisse von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen hergestellt werden.
  • Die Ausbildungsbedingungen in der Pflege sollen verbessert und die Pflegeassistenzausbildung bundesweit vereinheitlicht werden.
  • Versicherungsfremde Leistungen sollen nicht mehr von der Kranken- und Pflegeversicherung finanziert werden.

Das komplette Wahlprogramm finden Sie hier.

Viele Fragen bleiben offen: Wie soll die Finanzierung ambulanter Pflegeangebote verbessert und wie die Pflegeassistenzausbildung vereinheitlicht werden? Der Entwurf enthält jedoch klare Ansagen gegen private Träger, wenn öffentliche und gemeinnützige Träger einseitig gefördert werden sollen und die Gewinnerzielung verurteilt wird. Die Sicherung der Versorgungsstrukturen wird ausgeblendet. Die Entlastung der Pflegeversicherung von versicherungsfremden Leistungen ist zu begrüßen.

Der bpa sagt: Realität erfolgreich ausgeblendet. Höhere Personalschlüssel verknappen die vorhandenen pflegerischen Versorgungsangebote nur noch weiter.


Freie Demokratische Partei (FDP)

  • Den Pflegeeinrichtungen soll der Rücken gestärkt werden, indem die Pflegesatzverhandlungen schneller und einfacher werden.
  • Befreiung von doppelten Prüfungen ohne Mehrwert, unnötigen Nachweis- und Dokumentationspflichten und überbordenden Vorgaben.
  • Bekenntnis zur Trägervielfalt in der Pflege
  • Die Rolle der privaten Träger bei der pflegerischen Versorgung wird anerkannt. Die privaten Träger sichern die Wahlfreiheit ab.
  • Einführung eines „Liberalen Pflegebudgets“ durch Bündelung der bestehenden Leistungsansprüche der jeweiligen Pflegegrade
  • Einführung einer bundeseinheitlichen einjährigen Pflegeassistenzausbildung
  • Vermutungsregelung für ausländische Pflegefachkräfte, die über mehrere Jahre akademisch oder beruflich ausgebildet wurden und über die zur Berufsausübung erforderlichen Deutschkenntnisse verfügen

    Hier finden Sie das komplette Wahlprogramm der FDP,  sowie die Beschlüsse.

Die FDP benennt Ross und Reiter. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Pflegeeinrichtungen werden ebenso benannt wie die Versorgungsschwierigkeiten. Die Rolle der privaten Anbieter wird gewürdigt. Weniger Bürokratie und Doppelstrukturen – das ist zu begrüßen ebenso wie die Optimierung der Pflegesatzverhandlungen und die Kompetenzvermutung für ausländische Pflegefachkräfte. Die Vorstellungen zum Pflegebudget greifen zu kurz: Hier ist nicht klar genug, wie dieses funktionieren und was sich dadurch konkret verbessern soll.  

Der bpa sagt: Da hat jemand die Sorgen der Pflegeunternehmen verstanden.  Das „Liberale Pflegebudget“ muss aber richtig ausgestaltet werden.


Alternative für Deutschland (AfD)

  • Versicherungsfremde Leistungen sind nicht aus den Beiträgen zu den Sozialversicherungen, sondern aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Durch das Beenden dieser Zweckentfremdung können Leistungen erhöht werden oder die Beiträge gesenkt werden.
  • Zusammenführung von Kranken- und Pflegeversicherung, Vereinfachung der Selbstverwaltungsstrukturen bei Pflegedienstleistungen.
  • Mehr Leistungen – aber nur für die Inanspruchnahme ambulanter Pflege, Ziel sind kürzere Heimaufenthalte
  • Internationale Kräfte: Sowohl die fachliche als auch sprachliche Qualifikation (Niveau C1) müssen uneingeschränkt dem deutschen Standard genügen.
  • Vor jeglicher weiterer außereuropäischer Fachkräfteeinwanderung sollen zunächst die heimischen Potentiale ausgeschöpft werden. Geeignete außereuropäische Arbeitskräfte sollen danach bedarfsgerecht nach strikten Kriterien ausgewählt werden.
  • Die AfD fordert eine „Remigration“ und eine „umfassende Rückführungsoffensive“ für nach Deutschland zugewanderte Menschen.

Das komplette Wahlprorgamm der AfD finden Sie hier.

Die AfD will die Selbstverwaltung ausbremsen und die Hürden für internationale Kräfte massiv erhöhen. Abschottung schadet aber der pflegerischen Versorgung und insbesondere den Pflegeeinrichtungen. Schon jetzt ist der Personalmangel DER Treiber für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Linderung gibt es nur über Zuwanderung.

Der bpa sagt: Achtung Gefahr! Viele von denen, die die AfD des Landes verweisen will, sind bpa-Mitglieder und deren Mitarbeitende. Wir brauchen im Gegenteil mehr internationale Pflegekräfte in Deutschland, damit Pflegebedürftige versorgt werden können.


Die Linke

  • Einführung einer solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung: Alle zahlen ein, Beiträge werden auf alle Einkommen erhoben, alle werden gut versorgt. Die Beitragsbemessungsgrenze fällt weg. Auch auf Einkommen aus Kapitalerträgen und andere Einkommensarten müssen Beiträge gezahlt werden.
  • Eigenanteile sollen langfristig abgeschafft werden. Die nicht von der Pflegeversicherung erfassten Heimkosten (Unterbringung und Verpflegung) sollen gedeckelt und die Bundesländer dazu verpflichtet werden, die realen Investitionskosten und Ausbildungskosten zu übernehmen. Kurzfristig soll das Schonvermögen erhöht werden. 
  • Die Lohnlücke zwischen der Alten- und der Krankenpflege soll geschlossen werden.
  • Pflegekonzerne sollen aus der stationären Pflege herausgedrängt und die Finanzierung auf Kostendeckung ausgerichtet werden. Private Pflegeeinrichtungen sollen in die öffentliche Hand überführt werden.
  • Pflegende Angehörige sollen viel besser unterstützt werden. Sechs Wochen Freistellung bei vollem arbeitgeberfinanziertem Lohnausgleich beim ersten Auftreten eines familiären Pflegefalls.

Das vollständige Wahlprogramm finden Sie hier.

Das ist schon fast Realsatire. Die öffentliche Hand soll die Pflege weitgehend übernehmen und ausgerechnet so soll die Pflege bezahlbarer werden. Eine Unterstützung von pflegenden Angehörigen kann das keinesfalls sein, wenn ausgerechnet die Träger, die seit Jahren für Innovation und Qualitätswettbewerb stehen, verschwinden.

Der bpa sagt: Tollkühnes Rechenspiel – Die „private Hälfte“ der Versorgung wegrasieren und gleichzeitig allen eine umfassende pflegerische Versorgung versprechen.


Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit (BSW)

  • Gemeinwohl vor Kommerz, wo es ums Existentielle geht: bei Gesundheit, Pflege, Wohnen oder Bildung.
  • Eine Gesundheits- und Pflegepolitik, die jedem Kranken und Pflegebedürftigen eine gute Versorgung sichert
  • Eine Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege, in die alle Bürger mit ihren Einkommen einzahlen
  • Das Pflegeheim darf nicht Armutsfalle sein und die Eigenanteile für Pflegeheimbewohner müssen deutlich sinken.
  • Wer aus einem sicheren Drittstaat einreist, hat kein Recht auf Aufenthalt. Wer kein Recht auf Aufenthalt hat, hat keinen Anspruch auf ein Asylverfahren und auch keinen Anspruch auf soziale Leistungen.

Das vollständige Prorgamm finden Sie hier.

Da wird tief in die Mottenkiste gegriffen und auf die privaten Investoren geschimpft, Zuwanderung wird erschwert. Wie so gleichzeitig sichere Versorgung für alle Pflegebedürftigen gelingen soll, bleibt ein Rätsel. Immerhin: Sinkende Eigenanteile sind ja richtig, eine Pflegevollversicherung in Zeiten der Rezession mit vielfältigen finanziellen Auswirkungen aber vielleicht nicht der richtige Weg dorthin.

Der bpa sagt: Linke Fantasien von den bösen Investoren ersetzen kein Konzept. Wer die privaten Pflegeeinrichtungen verteufelt, verhindert notwendige Investitionen und schadet den Pflegebedürftigen.


Unser Fazit: Viele Phrasen - wenig Konkretes

Immer mehr Menschen werden pflegebedürftig, aber neue Versorgungsangebote entstehen nicht mehr und bestehende Versorgungsstrukturen verschwinden. Angesichts der enormen Herausforderungen unserer Branche kritisiert bpa-Präsident Meurer die Ambitions- und Ideenlosigkeit in den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl:  

"Die Politikerinnen und Politiker gehen offenbar davon aus, dass Pflegeheime, Tagespflegen und ambulante Dienste einfach so immer da sind. Das ist ein Irrtum, den viele Betroffene heute schon spüren.", so Meurer.

Deutschland braucht mehr Pflegeeinrichtungen mit vielfältigen Versorgungsangeboten, damit Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wieder die Versorgung finden, die sie brauchen.

Die nächste Bundesregierung muss Deutschland deshalb ein "Maßnahmenpaket Pflege" verordnen. Wie wirkungsvolle Maßnahmen für eine Sicherung der Pflegeinfrastrukut aussehen können, haben wir ins unseren Forderungen an eine neue Bundesregierung ausdekliniert:
 

bpa-Forderungen an die nächste Bundesregierung