Der bpa-Wahlprogramm-Check für die Eingliederungshilfe sowie für die Kinder- und Jugendhilfe

Deutschland hat gewählt und aller Voraussicht nach haben wir eine Regierung aus Union und SPD zu erwarten. Derzeit laufen die Sondierungsgespräche. Doch was bedeutet eine Regierung aus Union und SPD für die Pflege, die Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe?

Wer plant was für die Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe?
Wie ist das einzuordnen?
Und was bedeuten diese Pläne für unsere Mitgliedsunternehmen?

Wir haben die Programme durchleuchtet und ordnen die Pläne ein. Hier finden Sie unseren Parteiprogramm-Check für:

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

  • Frühe Hilfen für Familien in belasteten Lebenslagen sollen schrittweise bis zum Ende der Grundschulzeit ausgeweitet werden. Die derzeitige Trennung von Jugendhilfe, Schule und Gesundheitsleistungen soll überwunden und die Angebote zusammengeführt werden
  • Barrierefreiheit im privaten und im öffentlichen Bereich soll verbessert werden.
  • Die Verwirklichung des gleichen Rechts auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen soll gesichert werden.
  • Einkommenssituation der Werkstattbeschäftigten soll verbessert werden.
  • Die gesetzlichen Regelungen zum Gewaltschutz sollen geschärft werden.
  • Es sollen Anreize für Schutzkonzepte in allen Einrichtungen geschaffen werden, in denen sich Kinder und Jugendliche regelmäßig aufhalten.
  • Rehabilitation und Teilhabe für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen soll verbessert werden.
  • Die Beteiligung von Jugendlichen in den Jugendhilfeausschüssen soll gesetzlich verankert werden.

Das vollständige Wahlprogramm der SPD finden Sie hier.

Die SPD will echte Teilhabe in einer inklusiven Gesellschaft erreichen. Hierzu führt sie grundsätzlich die Themen oder Projekte an, die bereits in dieser Legislatur anstanden. Im Bereich der Jugendhilfe wird nur wenig genannt – die inklusive Jugendhilfe taucht gar nicht auf.

Der bpa sagt: Im Großen und Ganzen sagt das Wahlprogramm der SPD in Bezug auf die Eingliederungshilfe sowie der Kinder- und Jugendhilfe „weiter so“. Einrichtungen werden primär als ein Ort gesehen, bei dem die Nutzenden zu schützen sind.


Christlich Demokratische Union/Christlich-Soziale Union (CDU/CSU)

  • Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sollen weiter gestärkt werden.
  • Stärkung der Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt sowie Inklusionsbetriebe und Werkstätten
  • Eine integrierte Leistungsplanung soll eingeführt werden. Für den Bürger soll es keine Rolle mehr spielen, wie viele Sozialleistungsträger gerade für ihn zuständig sind. Aufwändige Antragsprozesse für Hilfsmittel, insbesondere für Kinder, sollen vereinfacht werden
  • Barrieren im öffentlichen Raum sollen beseitigt werden.
  • Förderschulen sollen erhalten werden.
  • Rechtlichen Voraussetzungen für eine verbesserte Kooperationsstruktur für Schule, Jugendhilfe und Eingliederungshilfe sollen geschaffen werden.
  • Die Kinder- und Jugendhilfe soll so weiter entwickeln, dass diese den jungen Menschen bestmögliche Unterstützung bieten, und psychosoziale Unterstützungsangebote sollen ausgebaut werden.

Das vollständige Wahlprogramm der Union finden Sie hier.

Für die Eingliederungshilfe bietet das Programm insgesamt wenig Konkretes. Für die Betroffenen ist sicherlich die integrierte Leistungsplanung und Entlastungen bei der Beantragung von Hilfsmitteln interessant.

Im Bereich Kinder- und Jugendhilfe gibt das Wahlprogramm der CDU/CSU kaum etwas her. Kinder- und Jugendliche kommen primär in Bezug auf Kinderbetreuung vor und als Objekte, die geschützt werden müssen. Die Umsetzung der inklusiven Jugendhilfe wird nicht erwähnt.

Über allem fordert die CDU/CSU, dass die Ausgabendynamik bei den Sozialausgaben gestoppt werden soll.

Der bpa sagt: Es fehlt an konkreten Aussagen, wie sich die Eingliederungshilfe sowie die Kinder- und Jugendhilfe entwickeln soll. Eine Aufbruchstimmung ist nicht erkennbar.


Bündnis 90/Die Grünen

  • Barrierefreiheit soll konsequent umgesetzt werden, Überforderungsklausel zum Schutz kleiner Unternehmen
  • Weiterentwicklung des Werkstättensystems in Richtung Inklusionsunternehmen, inklusive Aus- und Weiterbildung soll gefördert werden
  • Schnittstellen zu Sozialhilfe, Behandlung und Pflege sollen vereinfacht werden
  • Der Gewaltschutz in Einrichtungen der Behindertenhilfe soll ausgebaut werden.
  • Einführung eines Sonderprogramms zum Aufbau und zur Stärkung von Strukturen für Kinder- und Jugendarbeit
  • Mittel des Kinder- und Jugendplans und der Frühen Hilfen sollen aufgestockt werden
  • Junge Menschen, die die Jugendhilfe verlassen, sollen besser unterstützt werden
  • Vorhandene Strukturen zum Kinder- und Jugendschutz soll gestärkt werden (einheitliche Kinderschutzstandards)

Das komplette Wahlprogramm finden Sie hier.

Viele Themen der jetzigen Legislatur sollen weitergeführt werden. Die Träger von Einrichtungen und Diensten spielen aber keine erkennbare Rolle in der Wahrnehmung der Grünen. Begrüßenswert ist, dass die Grünen Kinder und Jugendliche nicht nur im Rahmen von Kinderbetreuung oder als zu schützende Objekte sieht, sondern beispielsweise auch die jungen Menschen als Careleaver in den Blick nimmt.

Der bpa sagt: Viele programmatische Punkte bei den Grünen sind Weiterführung der jetzigen Legislatur. Mit der dringend zu bereinigenden Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe und Pflege oder der Stärkung der Jugendarbeit und der frühen Hilfen werden aber zumindest auch wichtige Punkte der Fortentwicklung angesprochen.


Freie Demokratische Partei (FDP)

  • mehr Barrierefreiheit im öffentlichen Leben
  • ein inklusives Bildungssystem von der Kita bis zur Berufsausbildung wird gefordert
  • Der Nachweis einer dauerhaften Behinderung soll künftig nur noch einmalig er-bracht werden
  • Durch praxisnahe Förderung und Arbeitsvermittlung sollen die Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt verbessert werden.
  • Um die Wahlfreiheit und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung auch auf dem Arbeitsmarkt zu stärken, fordert die FDP die Abschaffung des eigenen finanziellen Beitrags zu Leistungen der Eingliederungshilfe.
  • Die Eingliederungshilfe für alle Kinder und Jugendlichen soll im SGB VIII vereint werden. Diese Leistungen sollen Kindern und Jugendlichen künftig unabhängig vom Einkommen der Eltern gewährt werden.
  • Erzieheraus- und Weiterbildung generell schulgeldfrei und angemessen vergütet
  • Ausbau an Ausbildungskapazitäten

    Hier finden Sie das komplette Wahlprogramm der FDP,  sowie die Beschlüsse.

Der Ausbau von Ausbildungskapazitäten für Erzieherinnen und Erzieher sowie die Forderung nach Schulgeldfreiheit und Vergütung decken sich mit den bpa-Forderungen. Die Refinanzierung muss dabei gesichert werden. In der Eingliederungshilfe zeigt sich das FDP-Programm eher unkonkret und die Leistungserbringer stehen nicht im Fokus. Wichtig ist, dass die Vereinigung der Eingliederungshilfe für alle Kinder und Jugendliche im SGB VIII und die Leistungsgewährung unabhängig vom Elterneinkommen ausgestaltet werden sollen. Auch fordert die FDP die Abschaffung eines eigenen finanziellen Beitrags zu Leistungen der Eingliederungshilfe in Bezug auf den Arbeitsmarkt.

Der bpa sagt: So sehr die FDP die Sorgen der sozialen Unternehmen in der Pflege verstanden haben, so wenig werden diese in der Eingliederungshilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe betont. Hier wäre ein Bekenntnis für private Unternehmen in diesen Bereich sehr wünschenswert.


Alternative für Deutschland (AfD)

  • Es sollen sinnvolle Maßnahmen unterstützt werden, die Menschen mit Einschränkungen eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.
  • Förderschule sollte wieder zum Regelfall für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden
  • Behinderte in Werkstätten möchte die AfD den Erhalt des Mindestlohns ermöglichen
  • Die häusliche Betreuung Behinderter durch Angehörige wollen wir besser honorieren und bürokratische Auflagen abschaffen
  • Einheitliche Kriterien für Inobhutnahmen auf Bundes- und Länderebene müssen definiert werden
  • Der bestehende Fachkräftemangel [in Kitas] soll durch ein Betreuungsgehalt reduziert werden, das die Nachfrage nach Kita-Plätzen deutlich senken soll.

Das komplette Wahlprorgamm der AfD finden Sie hier.

Die AfD zeigt ein sehr rückwarts gewandtes Bild von Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Im schulischen Bereich soll die Exklusion der Regelfall sein. Ziel der AfD ist nur die bessere Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (nicht die vollständige und wirksame Teilhabe) und fällt somit weit hinter die Ziele der UN-BRK und des SGB IX zurück. Auch im Bereich der Jugendhilfe zeigt sich ein rückständiges Familienbild. Kinderrechte-Aufklärung wird als getarntes Ausspielen der Jugendlichen und Kinder gegen ihre Eltern gewertet.

Der bpa sagt: Achtung Gefahr! Die AfD steht nicht hinter den Zielen der UN-BRK und des BTHG. Zu befürchten sind deutliche Leistungseinschränkungen und die Festigung exkludierender Strukturen mit den entsprechenden Folgen für unsere Mitgliedsunternehmen. Auch in der Kinder- und Jugendhilfe würde eine inklusive Weiterentwicklung gestoppt und die Subjektstellung von Kindern und Jugendlichen geschwächt werden.


Die Linke

  • Bildung und Arbeit sollen inklusiv werden
  • Städtebauförderung muss auf inklusive und umfassend barrierefreie Stadtentwicklung ausgerichtet werden
  • Barrierefreiheit soll umfassend hergestellt werden und (auch) die Privatwirtschaft dazu verpflichtet werden, Verbandsklagerecht im AGG
  • Jedes Kind hat ein Recht auf individuelle Förderung
  • massiver Ausbau der öffentlichen und gebührenfreien Kinderganztagsbetreuung für alle Altersgruppen
  • Mindestlohn auch in Werkstätten
  • Inklusionsbetriebe sollen besser gefördert werden

Das vollständige Wahlprogramm finden Sie hier.

Die Linke betont stark die Umsetzung von Inklusion, bezüglich der Einrichtungen der Eingliederungshilfe sagt sie jedoch nichts. Auch in Bezug auf die Kinder- und Jugendhilfe trifft das Wahlprogramm keinerlei verbindliche Aussagen.

Der bpa sagt: Das Wahlprogramm enthält hochtrabende Ziele – die Anbietenden von Eingliederungshilfe oder Kinder- und Jugendhilfe stehen aber nicht im Blickpunkt der Linken.


Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit (BSW)

  • Ziel des BSW ist es, eine inklusive Gesellschaft zu fördern, in der alle Akteure einen Beitrag zur gemeinsamen Zukunft leisten können.
  • Eine inklusive Arbeitswelt nutzt das Potenzial aller und stärkt den sozialen Zusammenhalt.
  • Ein Investitionsprogramm „Kinder und Bildung“ durch welches in eine kinder-, jugend- und familienfreundliche Infrastruktur investiert werden soll
  • Sozial- und Erzieherberufe sollen aufgewertet werden

Das vollständige Prorgamm finden Sie hier.

Das Wahlprogramm des BSW enthält keine konkreten Aussagen zur Eingliederungshilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe. Allgemein soll aber eine inklusive Gesellschaft und eine inklusive Arbeitswelt umgesetzt werden. Ziel des BSW ist ein leistungsfähiger Sozialstaat, der niemanden zurücklässt. Mit welchen Maßnahmen dies erfolgen soll, bleibt aber vollkommen offen.

Der bpa sagt: Das BSW hat keinerlei konkrete Pläne für die Eingliederungshilfe oder die Kinder- und Jugendhilfe.

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Unser Fazit: Viele Phrasen - wenig Konkretes

Insgesamt ist leider festzustellen, dass die Eingliederungshilfe sowie die Kinder- und Jugendhilfe bei den Parteien wenig im Fokus stehen. Das wird der Bedeutung dieser beiden Sozialbereichen nicht gerecht. Die aufgeführten programmatischen Punkte sind häufig sehr unkonkret. Auf die Situation der Leistungserbringenden in den beiden Bereichen geht keine Partei ein.

Der bpa wird sich dafür einsetzen, dass die nächste Bundesregierung im Bereich der Eingliederungshilfe das BTHG so fortentwickelt, dass die Komplexität der Regelungen reduziert wird und die Bürokratielast bei allen Beteiligten sinkt. Zudem muss die Gewerbesteuerfreiheit auch für private Anbieter der Eingliederungshilfe sichergestellt sein. In der Kinder- und Jugendhilfe werden wir uns im Rahmen der absehbaren Reform zur Schaffung einer inklusiven Lösung für eine komplette Gleichstellung privater Leistungserbringer sowie eine deutliche Stärkung des Vertragsrechts für ambulante Anbieter einsetzen. Versorgungsbereichsübergreifend muss zudem die Finanzierung gesichert sein und nachhaltige Maßnahmen zur Personalsicherung ergriffen werden.

Daneben muss die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen gesichert werden. Hierzu ist es dringend notwendig, dass Verhandlungen beschleunigt, von unnötiger Bürokratie entlasten und vereinfacht werden. Gesetzlich muss dringend die Berücksichtigung von Wagnis und Gewinn auch in der Eingliederungshilfe sowie der Kinder- und Jugendhilfe festgeschrieben werden. Kostenzusagen müssen zeitnah nach Antragstellung erfolgen.