bpa-Eckpunkte zur bundeseinheitlichen Pflegeassistenzausbildung

Stand Februar 2024

 

Als bundesweit größte Interessenvertretung privater Anbieter sozialer Dienstleitungen begrüßt der bpa die Bestrebungen aus den derzeit 27 landesrechtlich geregelten Pflegehelfer-/Pflegeassistenz-ausbildungen eine bundeseinheitliche Pflegeassistenzausbildung zu schaffen. Dabei sind die Chancen, die mit einer Neuordnung des Assistenzbereiches einhergehen, jedoch zwingend zur ergreifen. Neben einem bewussten Blick auf notwendige Inhalte und Qualitäten sowie der Entwicklung eines eigenständigen Ausbildungsprofils zur Ansprache einer neuen Zielgruppe an Auszubildenden, muss ebenso die Schärfung des Bewusstseins für eine bedarfs- wie ressourcenorientierte Ausgestaltung der Ausbildung stattfinden. Dies vor allem in Zeiten zunehmender Personalknappheit und den demografischen Herausforderungen vor allem in den nächsten 15 Jahren, in denen unter sonst gleichen Bedingungen das Potential der Erwerbsfähigen in Deutschland um 7 Millionen Menschen sinkt.

Das bedeutet konkret, dass die neue Assistenzausbildung nicht zu einer weiteren Verknappung bereits jetzt nicht ausreichend vorhandener Strukturen beitragen darf. Dazu gehören allem voran der Pflegepädagogen- wie auch zunehmende Praxisanleitungs-Mangel. Gleichzeitig ist dem wissenschaftlich ermittelten Bedarf an Assistenzkräften (QN3-Niveau) – insbesondere durch die Einführung von PeBeM und der zunehmenden Anzahl an zu Pflegenden in allen Versorgungsbereichen der Langzeitpflege – Rechnung zu tragen. Das BIBB führt in seiner neuen Publikation zu den Pflegeassistenzausbildungen aus: „Sollten die Auszubildendenzahlen in den mindestens einjährigen Ausbildungsgängen mit 14.752 Personen (…) in den nächsten fünf Jahren auf dem gleichen Niveau bleiben, würden mit ihnen unter Idealbedingungen rein rechnerisch gerade einmal zwei Drittel des Mehrbedarfs in der stationären Langzeitpflege gedeckt werden können. Der Bedarf in Krankenhäusern ist hier noch nicht mitgedacht. Zudem sind die üblichen Abbruchquoten und Berufsausstiege sowie der hohe Anteil an Teilzeitbeschäftigten in der Pflege einzukalkulieren.“[1]

Die neue bundeseinheitliche Pflegeassistenz ist daher als qualifizierte wie praxisorientierte Ausbildung mit einer Ausbildungsdauer von zwölf Monaten umzusetzen. Jede andere Regelung geht an den Bedarfen und vor allem an den zur Verfügung stehenden Ressourcen vorbei. Ohne den Aufwuchs von Assistenzkräften werden die Versorgungsengpässe weiter zunehmen. Eine in die Länge gezogene neue Assistenzausbildung könnte zudem Implikationen für bisher nach Landesrecht ausgebildete Pflegehelfer/-assistenten bedeuten, die neben einer Abwertung dieser ausgebildeten Kräfte unter Umständen zudem zu einer Reihe von Nachqualifizierungsmaßnahmen oder Anerkennungsverfahren führen könnten. Aufgrund dieser Aspekte sind aus Sicht des bpa folgende Faktoren in der Ausgestaltung der neuen Assistenzausbildung zu berücksichtigen. 

 

Ausbildungsdauer

  • 1-jährig in Vollzeit
  • Teilzeit in angepasster Dauer

Zugangsvoraussetzungen

  • Hauptschulabschluss (HSA) bzw. gleichwertiger Schulabschluss oder abgeschlossene Berufsausbildung sowie ein
  • Zugang auch für Menschen ohne Schulabschluss oder für diejenigen, die ihren Schulabschluss nicht nachweisen können, z.B. durch Eignungsfeststellung durch eine Pflegeschule oder durch den Nachweis bestehender vorherigen Qualifikationen, Praxiserfahrungen, FSJ, BFD, Praktika in der Pflege

Wege zur Erlangung des Abschlusses

  • reguläre Ausbildung
  • Externen-/Schulfremdenprüfung für in der Pflege berufserfahrene Beschäftigte
  • erfolgreiche Zwischenprüfung der Fachkraftausbildung = automatische Erlangung des Pflegeassistenzabschlusses

Ausgestaltung der Ausbildung

  • hohe Praxisorientierung
  • Theoretischer und praktischer Unterricht: 700 Stunden unter Einbindung eines hohen fachpraktischen Anteils
  • Praktische Ausbildung: 950 Stunden, in zwei von drei Bereichen (ambulant, stationäre Langzeitpflege, Akutpflege), davon ⅔ beim Träger der praktischen Ausbildung und ⅓ im externen Einsatz

Durchlässigkeit / Anschlussfähigkeit

  • im Sinne einer zeitgemäßen Qualifikationsstruktur ist die Ausbildung zum:zur Pflegefachassistenten:in so zu konzipieren, dass die Anschlussfähigkeit an die Ausbildung nach PflBG gegeben ist
  • gleiches gilt für einen Wechsel von der Fachkraft-Ausbildung nach PflBG in die Pflegeassistenz-Ausbildung
  • eine Durchlässigkeit in beide Richtungen, bildet die Grundlage eines modernen Ausbildungssystems, welches interessierten Menschen – ob bei Über- und Unterforderung im Rahmen der Ausbildung – den Verbleib in der Pflege ermöglicht    

Finanzierung und Förderung

  • keine zusätzliche Belastung der Pflegebedürftigen
  • Umlageverfahren, jedoch unter der Prämisse der Umsetzung der Vereinbarung im Koalitionsvertrag à Herausnahme aus den Eigenanteilen und nunmehr steuerfinanziert
  • regelhafte Förderung – unabhängig von der Unternehmensgröße – über das Qualifizierungschancengesetz für gering qualifizierte Beschäftigte bis zu einer Höhe von 100 Prozent
  • Angleichung der Finanzierung der Investitionskosten für Pflegeschulen in freier Trägerschaft an die gesetzlichen Regelungen der Pflegeschulen in Anbindung an Krankenhäuser sowie
  • bundeseinheitliche Investitionskosten-Regelung

Gelingensfaktoren im Kontext von Versorgungssicherung und Ressourcenorientierung 

  • Die Pflegeassistenzausbildung darf sich nicht zu einer Konkurrenzausbildung zur Ausbildung zum:r Pflegefachmann:frau entwickeln, sondern hat die Aufgabe, zusätzliche personelle Ressourcen zu schaffen. Dazu muss diese Ausbildung die Möglichkeit erhalten, Rahmenbedingungen und Inhalte zu schaffen, die ihr – bei aller notwendigen Verbindung und Verknüpfung zur Fachkraft-Ausbildung – ein eigenes Profil und Renommee geben.   
  • Unter Berücksichtigung dieses Aspektes und insbesondere der dringend benötigten Anzahl von Pflegeassistenten muss eine andere Zielgruppe als die der Fachkraft-Auszubildenden angesprochen werden. Daher ist konsequenterweise auch die Hebung von Potentialen von Personen ohne Schulabschluss wie auch von Personen ohne Nachweis eines Schulabschlusses (z.B. geflüchtete Personen) mitzudenken und aktiv zu nutzen.
  • Neben der Einführung des Personalbemessungsverfahren (PeBeM) nach § 113c Abs. 1 Nr. 2 SGB XI, machen die Dynamisierung der Anzahl an Pflegebedürftigen bei gleichzeitig zunehmender Berentung der sog. Babyboomer in allen Versorgungsbereichen (ambulant wie stationär) einen Aufwuchs unerlässlich. 
  • Ebenso sind die begrenzten Ressourcen der Pflegepädagogen sowie Praxisanleitungen im Gesamtkontext zu berücksichtigen. Ohne dieses Fachpersonal, keine Ausbildung. Daher sollte für Lehrkräfte von Pflegeassistenzkursen ein pflegepädagogischer Abschluss auf Bachelor-Niveau als angemessen anerkannt werden. Auch weitere pflegerelevante Studienabschlüsse wie z.B. Pflegemanagement oder Advanced Nursing Practice sollten anerkennungsfähig sein, ggf. mit einer zusätzlich nachzuweisenden pädagogischen Basisqualifizierung.
  • Um den Ausbildungsmotor Pflegeassistent in einer entsprechenden Geschwindigkeit in Gang zu bringen, darf eine Praxisanleiter-Qualifikation mit einem Umfang von 300 Stunden nicht Grundvor-aussetzung für die Ausbildung von Pflegeassistenten sein. Die Praxisanleitung sollte auch durch 3-jährige gelernte Fachkräfte (Pflegefachmann:frau, Altenpfleger:in, Gesundheits- und Krankenpfleger:in) und/oder ausgebildete Pflegeassistenten erfolgen dürfen.  

Den zunehmenden Abbruch- und Durchfallquoten ist entgegenzuwirken, daher vertreten wir – wie auch bei den Fachkraft-Auszubildenden – die Haltung, dass ein begleitendes Coaching in der Ausbildung immer relevanter wird. Eine zusätzliche Verortung der ganzheitlichen Betreuung im Sinne von § 16k SGB II auch im SGB III würde ergänzend zur Assistierten Ausbildung (AsA flex) eine Option schaffen, dass ein Coaching grundsätzlich auf einer erweiterten Rechtsgrundlage von allen Auszubildenden deren Ausbildung von Abbruch bedroht ist, in Anspruch genommen werden könnte.

 


[1] Jürgensen, Anke: Pflegehilfe und Pflegeassistenz. Ein Überblick über die landesrechtlichen Regelungen für die Ausbildung und den Beruf. 2. Aufl. Bonn 2023