bpa-Maßnahmen zur Absicherung der Wirtschaftlichkeit von Pflegeeinrichtungen

Sofortmaßnahmen zur Absicherung der pflegerischen Versorgung: Wirtschaftlichkeit von Pflegeeinrichtungen sichern

Vor einem Jahr erklärten in einer bpa-Blitzumfrage rund 70 Prozent der Pflegeeinrichtungen, dass sie sich in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Seitdem reißen die Berichte über Insolvenzen nicht ab, während ein stiller Kapazitätsabbau spürbar Versorgungsangebote verschwinden lässt: Viele vollstationäre Einrichtungen müssen ihre Belegung reduzieren und ambulante Dienste streichen ihre Touren zusammen. Die Gründe hierfür sind vielfältig, besondere Probleme liegen jedoch im derzeit bestehenden Verhandlungssystem: Darin sind zeitnahe Abschlüsse von Vergütungsvereinbarungen bei gleichzeitig verpflichtend umzusetzenden Lohnerhöhungen kaum noch möglich, während die daraus resultierende Überlastung der Schiedsstellen längst dazu geführt hat, dass dieser Konfliktlösungsmechanismus in der Praxis kaum noch greift.

Vor diesem Hintergrund sind aus Sicht des bpa die folgenden gesetzlichen Anpassungen sinnvoll, die schwerpunktmäßig auf die Optimierung des aktuellen Vergütungsverfahrens abzielen. Sie greifen die in einigen Bundesländern bereits bewährte Praxis pauschaler Vergütungsverfahren auf, sollen aber auch die Basis für bundes- und landeseinheitliche Verfahrensregelungen schaffen und somit zur Beschleunigung von Verhandlungsverfahren und zur dringend erforderlichen Entlastung der Schiedsstellen beitragen.

Die gewählten Ansatzpunkte zur Absicherung der Wirtschaftlichkeit von Pflegeeinrichtungen gliedern sich in vier Schwerpunkte, die in Punkt 5 um weitere Bausteine ergänzt werden.

1. Bündelung von Vergütungsverhandlungen auf Landesebene

Im SGB XI muss eine gesetzliche Grundlage für kollektive und schiedsstellenfähige Verhandlungen auf Landesebene geschaffen werden. Bisher sind dort nur einrichtungsindividuelle Vergütungsverhandlungen vorgesehen. Außerdem sollte die Landespflegesatzkommissionen die Möglichkeit erhalten, Empfehlungen für gruppenspezifische einheitliche Entgelte (Zahlung nach Tarif, in Anlehnung an einen Tarif, Zahlung nach dem regional üblichen Entlohnungsniveau) auf Landesebene abzugeben.

2. Beschleunigung von einrichtungsindividuellen Vergütungsverhandlungen

Die aktuelle Verhandlungspraxis ist geprägt von Verhandlungsverzögerungen seitens der Kostenträger. Diese fordern beispielsweise immer wieder neue Unterlagen und Nachweise zur Plausibilisierung der Entgeltforderungen. Daran scheitert ein zügiger Abschluss von einrichtungsindividuellen Verhandlungen häufig. In Anlehnung an die Empfehlung nach § 88a SGB XI besteht eine effektive Möglichkeit, über eine mit einem Konfliktlösungsmechanismus ausgestattete Bundesempfehlung nach § 75 Abs. 6 SGB XI, verbindliche Vorgaben zu unbürokratischeren Verfahrensregelungen, zu geeigneten Nachweisen zur Darlegung der prospektiven Sach- und Personalaufwendungen sowie zur Vereinheitlichung von Kalkulationsgrundlagen festzulegen, die dann durch Empfehlungen der Landespflegesatzkommissionen ausgestaltet werden. Dadurch lässt sich das Konfliktpotential in den Verhandlungen deutlich zu reduzieren.

3. Optimierung von Fristen zum Abbau von Verhandlungsspitzen

Die Frist zur Umsetzung von Tariferhöhungen und Erhöhungen des regional üblichen Entlohnungsniveaus beträgt zwei Monate. Das ist für die Praxis viel zu knapp bemessen und führt zu einer Vielzahl von Vergütungsverhandlungen innerhalb eines kurzen Zeitraumes, die aufgrund der beschriebenen Verfahrensverzögerungen nicht innerhalb der gesetzlichen Frist abgeschlossen werden können. Diese Situation erzwingt für den Fall der Nichteinigung eine vorsorgliche Antragstellung bei der Schiedsstelle zum gesetzlich vorgegebenen Umsetzungstermin, um die Möglichkeit des Inkrafttretens der Vergütungsvereinbarung zu diesem Termin zu erhalten. Zur Entschärfung der Situation ist einerseits eine Verlängerung der Umsetzungsfrist auf vier Monate erforderlich, andererseits die Klarstellung, dass Vergütungsvereinbarungen zum angestrebten Laufzeitbeginn in Kraft treten können, sofern die Verhandlungsaufforderung wenigstens sechs Wochen zuvor ausgesprochen wurde.

Darüber hinaus kommt es in der Praxis in vielen Bundesländern zu Verzögerung seitens der Kostenträger durch Nichtverhandeln sowie zur Verzögerung von Schiedsstellenverfahren, indem der Vorsitzende die Sache zunächst an die Verhandlungspartner zurückverweist. Eine Klarstellung der Unzulässigkeit dieser Zurückverweisung entschärft die Situation.

4. Klarstellungen zur Vergütung des Unternehmerrisikos

Auf Basis der aktuellen gesetzlichen Regelungen verlangt das Bundessozialgericht (BSG), die Pflegesätze und Entgelte, die sich aus den als wirtschaftlich anzuerkennenden Gestehungskosten und einschließlich einer angemessenen Gewinnchance ergeben, abschließend einem externen Vergleich zu unterziehen. Der größte Anteil der Kosten sind die Personalkosten; diese werden durch die Tariftreueregelung bestimmt und eine entsprechende Bezahlung ist vom Gesetz als wirtschaftlich anerkannt. Deswegen dürfen diese Personalkosten nicht noch einem externen Vergleich unterworfen werden. Insofern ist eine Klarstellung geboten, dass sich die Wirtschaftlichkeitsprüfung durch externen Vergleich auf die „weiteren“ pflegesatzerheblichen Aufwendungen jenseits der Personalkosten beschränken muss. Bei der Bemessung der Vergütung eines allgemeinen Unternehmerrisikos sind Ergebnisse wissenschaftlicher Studien angemessen zu berücksichtigen.

5. Weitere Bausteine zur Absicherung der Wirtschaftlichkeit

Bisher ist gesetzlich nicht abgesichert, dass Pflegeeinrichtungen auch ihre Mitarbeitenden in Bereichen außerhalb von Pflege und Betreuung nach den gleichen tariflichen Grundlagen vergüten können wie die Pflegekräfte. Um eine einheitliche Regelung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten, soll die Möglichkeit eröffnet werden, Mitarbeitende in Sekundärbereichen (z.B. Kü- che, Hauswirtschaft und Verwaltung) bis zur Höhe eines in die Veröffentlichung nach § 82c Abs. 5 aufgenommenen Tarifs bezahlen zu können.

Gerade in der ambulanten Pflege, einem Bereich, in dem mit Kostenträgern nach dem SGB XI und mit Kostenträgern nach SGB V über die gleichen Personal- und Sachkosten für die Leistungserbringung verhandelt wird, muss sichergestellt sein, dass eine im Bereich des SGB XI vereinbarte Kostensteigerung nicht im Bereich des SGB V als unwirtschaftlich abgelehnt werden kann. Die Belegungssituation in den teil- und vollstationären Einrichtungen ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig und aufgrund der problematischen personellen Situation kaum noch beeinflussbar. Daher kann es zu Belegungseinbrüchen kommen, die für Einrichtungen zu einer wirtschaftlichen Herausforderung werden. Die Möglichkeit darauf mit einer Neuverhandlung der Pflegesätze auf Basis des § 85 Abs. 7 SGB XI während des Pflegesatzzeitraums reagieren zu können, ist bisher nichtgegeben. Die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage dafür ist unabdingbar.

Die kalkulatorische Belegungsquote ist insbesondere bei neu in Betrieb gehenden Einrichtungen ein wichtiger Faktor bei der Ermittlung der Entgelte und somit für die Finanzierung der Einrichtung. Durch die angespannte Personalsituation dauert die vollständige Belegung einer Einrichtung aktuell deutlich länger als in der Vergangenheit. Deswegen muss gesetzlich eine dem Belegungsprozess angepassten Belegungsquote verankert werden, um Anlaufverluste abzumildern.

Auch die Straffung von Zahlungsfristen, die Möglichkeit Kostenträger in Verzug setzen zu können sowie die Klarstellung, dass auch ambulante Dienste berechtigt sind für erbrachte Leistungen auch nach dem Tod des Leistungsberechtigten vergütet zu werden, sind wichtige Faktoren zur Absicherung der Wirtschaftlichkeit von Pflegeeinrichtungen.

Gleiches gilt für eine Anpassung des Unterschriftenverfahrens nach erfolgter Vergütungsverhandlung. In der Praxis kommt es aufgrund des langwierigen Verfahrens nicht selten zur Verweigerung von Kostenträgern die geeinten Entgelte zu bezahlen.

Die aktuelle Praxis der Sozialbehörden für einen Antragsteller, die notwendigen Kosten erst nach Feststellung der Sozialhilfebedürftigkeit zu übernehmen, führt bei den Einrichtungen zu nicht unerheblichen Vorfinanzierungsbeträgen. Durch die Klarstellung, das bereits mit Kenntnisnahme des Hilfebedarfs der Anspruch auf Vergütung besteht, kann diese Situation behoben werden.

Aufgrund der sehr heterogenen Verhandlungssituation in den einzelnen Bundesländern im Bereich der außerklinischen Intensivpflege ist es wichtig, Einrichtungen, die die in den Rahmenempfehlungen für den jeweiligen Leistungsort festgelegten personellen und strukturellen Anforderungen erfüllen, den Abschluss eines Vertrages nach Absatz 5 nach Maßgabe der Rahmenempfehlungen zu ermöglichen.

Mit dem Pflegeunterstützungs und -entlastungsgesetz (PUEG) soll der Einsatz von Leiharbeitskräften durch die Einführung eines Refinanzierungsdeckel reguliert werden. Eine Refinanzierung über den Pflegesatz ist nur noch möglich wenn sachliche Gründe für den Einsatz vorliegen. Da diese Regelung dem Problem in der Praxis in keiner Weise gerecht wird und lediglich eine Beschränkung zulasten der Träger darstellt, sind weitergehende Regulierungen in Form eines Kostendeckels notwendig. Daher sollen Leiharbeitsunternehmen künftig lediglich das 1,5fache des regional üblichen Entlohnungsniveaus in Rechnung stellen dürfen.

Die dargestellten Vorschläge bilden – neben weiteren Ansätzen aus unseren Positionspapieren zur wirtschaftlichen Situation der Einrichtungen – eine Basis zur wirtschaftlichen Absicherung von Pflegeeinrichtungen.