Auf ihrer Mitgliederversammlung am 21. November 2024 setzte die nordrhein-westfälische Landesgruppe des bpa in Köln ein kraftvolles Zeichen für die Zukunft der Pflege. Über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erlebten einen Tag voller inspirierender Vorträge, hitziger Diskussionen und wertvoller Begegnungen – unter dem Leitgedanken: „Versorgungssicherheit – Unsere gemeinsame Mission“.
Herausforderungen und klare Forderungen
Der bpa-Landesvorsitzende Bernhard Rappenhöner ließ das vergangene Jahr Revue passieren – ein Jahr voller Herausforderungen. Besonders kritisch: Die Inflationsausgleichsprämie bleibt für Nutzer des regional üblichen Entgelts nicht refinanziert, während Tarifanwender profitieren. „Das ist ungerecht, und wir konnten es nicht einmal durch ein Schiedsverfahren in NRW ändern,“ betonte Rappenhön.
Im Bereich der häuslichen Krankenpflege (HKP) prangerte er den ausufernden Bürokratiedschungel an – über 30 Tarifvarianten machen die Arbeit unnötig kompliziert. „Es fehlt an klaren Rahmenbedingungen, die unsere Arbeit überhaupt erst ermöglichen“, brachte er es auf den Punkt.
Auch Rainer Brüderle, Präsident des bpa-Arbeitgeberverbandes, fand deutliche Worte: „Mehr Bürokratie erstickt die Flexibilität unserer Betriebe. Uns wurde Verantwortung übertragen, weil der Staat die Pflege nicht allein stemmen konnte – heute wird uns durch Überreglementierung die Luft zum Atmen genommen.“
Ein Blick in die Zukunft
Neben den kritischen Tönen stand auch das Zukunftspotenzial der Pflege im Fokus. Vor der Mittagspause erläuterten die „bpa-Töchter“ ihre Ziele und Unterstützungsleistungen, die ebenfalls als Aussteller jeweils einen Stand bei unserer Fachausstellung besetzten.
Dr. Matthias Glasmeyer, Geschäftsführer der apm, präsentierte die wachsende Bildungslandschaft der apm GmbH: 2025 wird das Netzwerk auf 36 Standorte in zehn Bundesländern anwachsen. Mit Angeboten wie dem apm E-Campus und Programmen wie Care for Integration (CFI) wird die Integration internationaler Fachkräfte gezielt unterstützt. Nico Kling, Geschäftsführer der bpa-Servicegesellschaft, stellte die Leistungen der bpa-Servicegesellschaft vor – von Gründungsbegleitung über Entgeltverhandlungen bis zur Personalvermittlung aus dem Ausland. Besonders erfreulich: Die Unterstützung bei Entgeltverhandlungen soll künftig ausgebaut werden.
bpa-Präsident Bernd Meurer
Politik trifft Praxis bei unserer Mitgliederversammlung
Ein Highlight des Tages war der Besuch von Karl-Josef Laumann, NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Mit Freude über den Austausch – „denn nur so lernen wir“ – blickte er zurück auf die Anfänge der Pflegeversicherung. Die ursprüngliche Idee? Ein echter Segen. Die Realität heute? Ein verschachteltes, kaum durchschaubares System. Für Laumann ist klar: Es reiche nicht, nur den Mangel zu verwalten. Ziel müsse eine sichere und tragfähige Versorgung sein. Und die aktuelle Pflegeversicherung? Die bezeichnete er als „versäult“ – ein System, das dringend entrümpelt und mit den Betroffenen gemeinsam in die heutige Zeit übersetzt werden muss. „Ein Bundesthema“, wie er betonte. Wir fragten uns: Doch was passiert auf Landesebene? Laumann sprach weiter die Notwendigkeit an, Pflegetätigkeit in der stationären oder ambulanten Pflege mit der Pflege zu Hause (Kinder, Angehörige) zu verbinden. Eine kluge Verknüpfung könnte Entlastung schaffen. Auch wünschte er sich mehr Mut beim Personalmix: „Examen bedeutet nicht automatisch gute Pflegequalität“, sagte er und lobte die Arbeit der Pflegehilfskräfte mit z.B. einjähriger Pflegeausbildung. Hier sei ein Handeln nicht gegen das System, sondern in Einklang mit ihm zwingend notwendig.
Ohne private Pflegeanbieter bricht alles zusammen
Bernd Meurer, bpa-Präsident, nahm kein Blatt vor den Mund: „Ohne die privaten Pflegeanbieter läuft hier gar nichts!“ In seiner Analyse der aktuellen Lage wurde deutlich, wie brisant die Situation ist. Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel – Probleme, die er schon 2001 erkannt hatte – treiben das System an seine Grenzen.
Meurer griff die Worte von NRW-Minister Laumann auf, der betonte, dass Pflege ohne ausländische Fachkräfte undenkbar sei, und fügte hinzu: „Genau wie ohne die privaten Anbieter.“ Sein Appell war klar: Der Personalmix muss flexibler werden, damit möglichst viele Kräfte schneller und effizienter in die Versorgung integriert werden können.
Pflege in der Realität – Zwischen Theorie und „Bei Anruf sorry“
Professorin Dr. Notburga Ott, Vorständin des Vereins „wir pflegen e.V“., zeigte eindringlich, wie groß die Lücke zwischen den Ansprüchen und der Realität in der Pflege ist – vor allem aus Sicht der Angehörigen. Mit Blick auf die mit dem bpa geführten Kampagne „Bei Anruf sorry“ und die in der Pflege stattfindende Triage, bei der hochgradig Pflegebedürftige abgewiesen werden müssen, machte sie deutlich: Die knappen Ressourcen sind eine tickende Zeitbombe.
Ott beleuchtete nicht nur die Belastungen für pflegende Angehörige – von Zeitdruck über gesundheitliche Folgen bis hin zu Einschränkungen im Job –, sondern auch die Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt. Ihre Forderung: ein Finanzierungssystem, das Pflegeleistungen priorisiert und die knappen Ressourcen klug verteilt. Gleichzeitig plädierte sie für einen intelligenten Versorgungsmix, der die Versorgung langfristig absichert.
Politik im Dialog
Auch die anschließende Podiumsdiskussion mit Rappenhöner, Prof. Dr. Ott, Maik Vonau, Bereichsleiter Pflege AOK NordWest, Daniel Hagemeier, MdL CDU, Thorsten Klute, MdL SPD, Jule Wenzel, MdL Die Grünen und Susanne Scheider MdL FDP brachte lebhafte Debatten. Alle Teilnehmer der Mitgliederversammlung hatten den Tag über die Möglichkeit, ihre Fragen an die einzelnen Diskussionsteilnehmer auf zuvor verteilten Karteikarten zu formulieren. Hier wurde insbesondere die Frage aufgegriffen. „Wo sind die Botschaften auf Landesebene? Themen wie der Fachkräftemangel, lange Zahlungsläufe und die Notwendigkeit eines modernen Personalmixes wurden diskutiert.
„Pflege braucht mehr Panik – aber wohltemperierte!“
Mit klaren Worten und viel Nachdruck lenkte Norbert Grote, Hauptgeschäftsführer des bpa, zum Ende der Veranstaltung den Fokus auf Zukunft: „Wir stehen vor einer der größten gesellschaftlichen Herausforderungen – die Pflege muss endlich ernst genommen werden!“ Grote kritisierte, dass die Dringlichkeit der Pflegekrise weder in der Ministerrede noch in der Podiumsdiskussion richtig zum Ausdruck kam. „Der demografische Wandel ist eine Zeitbombe, und wir tun so, als hätten wir ewig Zeit,“ warnte er. Seine Forderung: Pflege muss endlich die notwendige gesellschaftliche Relevanz erfahren. Die Botschaft an die Politik war unmissverständlich: „Schluss mit ideologischen Grabenkämpfen und planwirtschaftlichen Experimenten!“.
Grote rief zu einer Rückbesinnung auf pragmatische Lösungen auf, die die Wirtschaftlichkeit der Pflege sichern, ausreichend Personal bereitstellen und die Leistungen der Pflegeversicherung stabilisieren. Er forderte mehr Eigenverantwortung und weniger Bürokratie – nicht ohne einen Seitenhieb auf die Regierung: „Weniger Selbstzufriedenheit bei unseren Entscheidungsträgern und mehr wohltemperierte Panik könnten endlich den Druck erzeugen, den wir brauchen, um das Ruder herumzureißen.“
Die Stimmung auf der Abendveranstaltung war ausgelassen. Bei einer Schifffahrt auf dem Rhein mit leckerem Buffet, Musik und Tanz bis in die frühen Morgenstunden fand der Tag einen würdigen Abschluss.